eSport als Sport

eSport als Sport

04 Juli 2020 Mathias eSport

Und täglich grüßt das Murmeltier. Oder besser jährlich. Und nicht das Murmeltier, sondern die Streithähne der beiden Fraktionen "eSports" und "Wissenschaft". Kernpunkt bleibt seit Jahren die Frage: Ist "eSports" als Sport anzusehen und damit für große Wettbewerbe wie Olympia zuzulassen?

Die Ausgangslage

Im ersten Quartal des Jahres flammte die Debatte erneut auf. Der Deutsche Olympische Sportbund (kurz: DOSB) vermeldete über die Deutsche Presse-Agentur (kurz: dpa), dass die Rhein-Ruhr-Region der derzeit einzig mögliche Bewerber für die Olympischen Spiele 2032 ist. Das allein hat noch nichts mit eSports zu tun, mögt ihr nun sagen. Korrekt. Aber hier kommt Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei des Landes NRW, ins Spiel.

Bereits seit 2018 betont Liminski immer wieder, dass die Politik in NRW, eSports gerne im olympischen Programm sehen würde. So geschehen 2018 bei der Neueröffnung eines neuen ESL-Studios in Köln und 2020 bei der Vorstellung der eSports Player Foundation in Köln. Auch die Tatsache, dass beide Veranstaltungen in Köln stattfanden, nutzt Liminski für seine Debatten und meint, dass aufgrund der Wurzeln vieler eSports Veranstaltungen in der Region, NRW der Schmelztiegel des eSports sein kann.

Und dort treffen die Nachrichten nun aufeinander. Liminski äußerte: "Wir als Landesregierung möchten die Olympischen Spiele 2032 nach Nordrhein-Westfalen holen. Dieses Vorhaben nimmt bereits konkrete Formen an und es wäre schön, wenn sich hier quasi zwei Visionen treffen und wir 2032 eSports als olympische Sportart feiern könnten." und "Die Bundesregierung habe sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, eSport eine olympische Perspektive zu eröffnen. Wir als Landesregierung würden uns wünschen, dass eSport dann zum olympischen Katalog gehört."

Nordrhein-Westfalen schwingt aber nicht nur große Worte, sondern lässt auch Taten folgen. Der eSport Player Foundation, die in den ersten drei Jahren 400 Athleten fördern möchte, sichert NRW 200.000 Euro Finanzierungshilfe zu. Mit der Telekom ist bereits ein großer Wirtschaftspartner eingestiegen. Allerdings fehlt noch ein Großteil des Geldes, um die vier Millionen Euro, welche für die Förderungsziele notwendig sind, zu erreichen.

Der eSport-Bund Deutschland e.V. (kurz: ESBD) hat sich natürlich hocherfreut gezeigt und reagierte auf seiner Homepage entsprechend. So heißt es, dass der ESBD die Entwicklung der Konzepte unterstützt. Auch wird mit Sicht auf die stets ablehnenden Kommentare des DOSB wieder betont, dass "eSport ein starkes Merkmal einer deutschen Bewerbung sein sollte...", so ESBD-Präsident Hans Jagnow. "Damit können wir international unter Beweis stellen, dass wir die digitale Zukunft des Sports abbilden. Ein gemeinsames Fest der olympischen Werte zwischen traditionellen und neuen Sportbewegungen verbindet nicht nur die Welt, sondern auch die Generationen."

Nicht zu Unrecht verweist der Verband dann auch auf die Entwicklungen der Zahlen. "2032 wird eSport in jedem Haushalt eine Rolle spielen", betont Jagnow. "Wir müssen die digitale Lebenswirklichkeit im nächsten Jahrzehnt schon jetzt im Kopf haben. Die gesamte Breite der eSport-Bewegung wird darin eine zentrale Rolle spielen."

eSport ist in mehreren Ländern der Welt anerkannte Sportart, darunter Finnland, Russland und Sri Lanka. In den South-East Asia Games 2019 wurde eSport erstmalig durch olympische Verbände als regulärer Medaillenwettkampf ausgerichtet. Asien ist uns ohnehin weit voraus. Während die westlichen Länder stets auf die Gefahren von virtuellen Spielen hinweisen und, wie wir unten noch lesen werden, "Sport" bis ins kleinste Detail deklarieren, hat das Asiatische Olympische Komitee einfach losgelegt. Klar, dort ist die Spielergemeinschaft und die Akzeptanz seit Jahren bereits höher und der Hype in der Öffentlichkeit schon mit dem unserer Fußball-Bundesliga zu vergleichen.

Treiber auf der asiatischen Seite war wie immer die Wirtschaft. Alibaba, das östliche Pendant zu Amazon, veranstaltet seit Jahren eigene eSport-Events, wie auch ihr eigenes Turnier (World Electronic Sports Games, WESG). Nachdem die Demonstrationen des eSports bei den Asienspielen 2018 erfolgreich waren, geht es nun 2022 tatsächlich um Medaillen bei den Asienspielen. Schwerpunkte dürften die international anerkanntesten Titel sein. CS:GO, Dota, Starcraft 2, Hearthstone, League of Legends, FIFA. Übrigens: Alibaba gehört zu den größten Sponsoren des Internationalen Olympischen Komitees. Auch die Sportwetten Anbieter bieten zunehmend eSport Spiele für Einsätze an, besonders beliebt sind die CSGO Wetten. Mal sehen, wie lange sich die Geldempfänger noch gegen die Sponsorenwünsche wehren werden.

Die Gegenseite

Aber zurück zur Debatte. Auch die Gegenseite hat Argumente. Der DOSB holt sich dafür prominenten Rat. Wie immer, wenn man etwas untermauern möchte, kommen Wissenschaftler ins Spiel. Diese wedeln dann mit mehr oder minder fundierten Studien und beeindrucken durch ihre Titel, so dass der Eindruck entstehen könnte, hier spricht ein Fachmann. Doch während die Fachleute, also diejenigen, die täglich im eSports arbeiten, wenig Gehör finden, bekommen die stereotypen Aussagen der Professor Doktor Doktor viel mehr Gewicht durch ihre akademische Reputation. Selbst wenn sie nie etwas mit dem Thema zu tun hatten und nun aufgrund einer Umfrage unter 1.000 Leuten eine Studie aus dem Ärmel zaubern.

Beispiele gefällig?

Dagmar Freitag, 2018 Vorsitzende des Sportausschusses des Deutschen Bundestages, hat Fachleute um Beantwortung von Fragen zum Thema "Entwicklung des E-Sports in Deutschland" gebeten. Geantwortet hat Frau Prof. Dr. Carmen Borggrefe von der Universität Stuttgart. Einem Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft, in der Abteilung Sportsoziologie und -management.

Den kompletten Artikel könnt ihr als PDF ansehen auf der Seite des DOSB: https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/eSport/stellungnahme-borggrefe-data.pdf

Sehr empfehlenswert ist auch die Stellungnahme zum eSport des DOSB: https://cdn.dosb.de/UEber_uns/eSport/Stellungnahme-zum-eSport.pdf

Neben Frau Prof. Dr., finden sich in der Stellungnahme des DOSB an die 80 (!) weitere Prof. Dr. , die als Unterzeichner aufgeführt sind. Grundsätzlich interessante Fakten der beiden Papiere möchte ich noch erwähnen.

Zitat: "Sie bergen ein hohes Suchtpotenzial, was dazu geführt hat, dass die WHO im Juni 2018 Computerspielsucht als offizielle Krankheit eingestuft hat."

Meine Meinung: Selbstverständlich hat eSports ein Suchtpotential. Andernfalls könnte es keine Massen begeistern. Das gilt aber auch für körperliche Sportarten. Es gibt auch Berichte über Männer, die ihre Frauen schlagen, wenn sie nicht in Ruhe Fußball gucken dürfen. Ganz zu schweigen von den sich häufenden gewalttätigen Auseinandersetzungen im Amateurbereich. Auch die Gesundheitsdiskussion ist überflüssig. Natürlich bewegen sich viele Spieler zu wenig. Aber wenn wir über eSport sprechen, also der professionellen Spielergemeinschaft, dann reden wir von Hochleistungssportlern, die neben den täglichen Abläufen auch Konzentrations- und Fitnessübungen machen müssen, um überhaupt fit genug für die anstrengenden Sessions zu sein.

Zitat: "Spätestens seitdem die Bundesregierung 2018 in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hat, dass man "E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins-und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen" wolle, ist ein erheblicher Druck auf den organisierten Sport entstanden, sich gegenüber den digitalen Video-und Computerspielen zu öffnen. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat sich jedoch im Rahmen seiner Mitgliederversammlung Ende 2018 deutlich gegen eine Anerkennung und Aufnahme des eSports in seiner Gesamtheit ausgesprochen."

Meine Meinung: Natürlich steigt der Druck, denn der DOSB sieht seine Fördergelder davon schwimmen. Der Bund wird nicht beides fördern, sondern Gelder beim DOSB kürzen. Das wird deutlich, wenn man das Positionspapier komplett liest. Denn es wird auch betont, dass der eSport in der Politik "massiv Lobbyarbeit" betreibt und die Unterzeichnenden sich dagegen aussprechen, "eSportbezogene Forschungen aus Mitteln der sportwissenschaftlichen Forschungsförderung zu finanzieren."

Zitat: "Der DOSB bezeichnet eSport-Titel wie "FIFA" oder "NBA2K", in denen Sportarten wie Fußball oder Basketball simuliert werden, als "virtuelle Sportarten", lehnt aber die Verwendung des "eSport"-Begriffs konsequent ab und wählt stattdessen für alle anderen, nicht sportbezogenen Spiele,die Bezeichnung "eGaming"."

"...zu dem Ergebnis, dass wettkampfmäßige Video-und Computerspiele nicht als Sport(art) zu bezeichnen und anzuerkennen sind."

"...in seiner Aufnahmeordnung Kriterien formuliert, die eine sinnvolle Abgrenzung dessen, was man unter Sport versteht, ermöglichen. Im Bereich der sportlichen Voraussetzungen betrifft dies drei Kriterien: "Die Ausübung der Sportart muss eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität eines jeden zum Ziel haben, der sie betreibt. [...] Die Ausübung der eigenmotorischen Aktivitäten muss Selbstzweck der Betätigung sein". [...] Und die "Sportart muss die Einhaltung ethischer Werte wie z.B. Fairplay, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf-und Klasseneinteilungen gewährleisten"

"Vor dem Hintergrund der DOSB-Aufnahmeordnung kommen die Unterzeichnenden zu dem Ergebnis, dass wettkampfmäßige Video-und Computerspiele keines der Kriterien für eine Anerkennung als Sport(art) erfüllen. Diese sind erstens nicht durch eine sportartbestimmende motorische Aktivität gekennzeichnet, denn die sinnhafte Beobachtung von eSport erfolgt nicht über die motorische Aktivität der Bedienung des Eingabegeräts (Maus, Tastatur, Controller), sondern über das virtuelle Spielgeschehen und die Bewegung eines Avatars. Es macht keinen Sinn, eSport allein über das Klicken einer Maus oder eines Controllers zu beobachten, weshalb man nicht von einer sportartbestimmenden motorischen Aktivität sprechen kann."

Meine Meinung: Ich erspare euch noch den Rest der Erläuterungen, obwohl diese sehr interessant sind. Kernpunkte sind für mich die Deklaration der Begriffe um eSport als Sport auszuschließen. Man hätte es, falls gewollt, auch anders betrachten können. Stattdessen wird hier in "virtuellen Sport" und "eGaming" unterschieden. Wobei "virtueller Sport" für mich definitiv eine 1:1 Übersetzung zu "eSports" (elektronischer Sport) ist. Ins eigene Bein geschossen!

Im folgenden wird noch mit drei Kriterien argumentiert, wobei der dritte Punkt, die Einhaltung ethischer Werte, Fairplay und Partnerschaft völlig unnütz sind. Esports vertritt diese Werte ebenso genau oder ungenau wie jeder andere Sport. Es gibt Schießsport und es gibt Sport mit Tieren, die jahrelang dressiert werden. Wo ist da die Ethik? Und von Chancengleichheit brauch im Sport keiner zu reden. Es gibt immer jemanden, der einfach besser ist. Das ist im eSport eher noch gegeben, da sich jeder Sportler das Equipment leisten kann um teilzunehmen. Im normalen Sport sind die Trainingsbedingung und Förderungen so unterschiedlich, dass die Chancengleichheit hier deutlich geringen sein sollte. Aber egal, jetzt kommt mein Lieblingspart.

Die Definition der sportartbestimmenden motorischen Aktivität. Eine Wortschöpfung, die sich nur Wissenschaftler einfallen lassen können, um die Zuhörer so sehr zu verwirren, dass sie sich unterlegen fühlen. Wie oben zu lesen, sagt das DOSB, dass Sport nur vorhanden ist, wenn der Bewegungsablauf am Körper die Faszination ausmacht. Erklärt dadurch, dass Klicken und Drücken von Tasten nur den Avatar steuern. Ich sehe das natürlich anders. Es gibt doch einige Zuschauer, die grade diese Abläufe extrem geil finden. Profis, die mehrere hundert Anschläge pro Minute schaffen, etwa in Starcraft. Vergleichbar mit einem Konzert. Ich schaue gerne auf Gitaristen, wie sie greifen und spielen. Im Sport ist es dann beispielsweise der Anlauf zum Sperrwurf. Aber am Ende kommt es doch aufs Gleiche raus. Im Konzert sehe ich die Griffe und höre die Musik. Im eSport sehe ich die Tastenanschläge und sehe das Ergebnis auf dem Bildschirm. Und im Sport sehe ich den Athleten anlaufen und beobachte wie weit der Speer fliegt. Der Werfer fliegt ja nicht mit. Ob ich nun einen gesteuerten Avatar beobachte oder den Speer in seiner Flugbahn, ist für mich kein Kriterium für einen Ausschluss.

Zitat: "Wettkampfmäßige Video-und Computerspiele werden als bedeutsames Phänomen der Jugendkultur betrachtet, das insbesondere das Freizeitverhalten von Jungen und jungen Männern zunehmend prägt."

Damit komme ich nun auch zum Ende. Falls ihr noch nicht eingeschlafen oder vor Wut explodiert seid, denke ich, dass wir uns mit diesem Zitat auf etwas einrichten können. Erst wenn die Generationen der Nicht-Spieler aus den Gremien ausgeschieden sind und Menschen, die mit eSport aufgewachsen sind, folgen, wird sich der Westen darauf einlassen können. Für mich ist eSport keine Jugendkultur, die nach 10-20 Jahren von etwas anderes abgelöst wird. Esport wird sich entwickeln. Allein durch 3D oder Virtual-Reality Techniken. So wie die Kinder aus den 1960er Jahren auch heute noch keine eckigen Augen vom vielen Fernsehen bekommen haben, werden auch die heutigen Kinder in 40 Jahren nicht alle spielsüchtig und fettleibig sein.